Liszt
Études d'exécution transcendante

Naxos 8.573981
1 CD • 80min • 2018
31.01.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Franz Liszt war im heutigen Sinne ein Recycler. Am Puls des Musikgeschehens griff er musikalisches Material auf, um es seiner eigenen Sache einzuverleiben. Seine eigene Sache? Will heißen: Die virtuose Ausreizung technischer Mittel, die Auftürmung pianistischer Schwierigkeiten, um sich letztlich vom Rest der Pianisten-Welt abzugrenzen. Auf jeden Fall der Wille, dass der Interpret noch dominierender als der Tonschöpfer der gespielten Werke im Mittelpunkt steht.
Wir wissen heute, dass auch bei Liszt solche Zuschreibungen teilweise ein Klischee sind. Noch weniger dürften solche Attribute für den 1984 geborenen Boris Giltburg gelten. Seine aktuelle Naxos-CD macht deutlich, worum es dem in Moskau geborenen Pianisten vor allem geht: Schier spektakuläre technische Instrumentenbeherrschung ist nicht mehr und nicht weniger als souveränes Understatement. Um damit verstehend möglichst tief zu blicken. Wenn er nun seine neue CD ausschließlich dem ungarischen langmähnigen Tastenlöwen widmet, dann geht es Giltburg um etwas anderes, Tieferes. Er möchte vor allem das Transzendierende an die Oberfläche holen und dafür den großen imaginären Bogen spannen, der zum Hören dieser ganzen CD in einem Durchgang geradezu zwingt.
Giltburg stellt in diesem Programm Liszts Paraphrasen aus Giuseppe Verdis Rigoletto-Oper an den Anfang, um dann in den weitläufigen „12 Études d'exécution transcendentes“ alle erdenklichen pianistischen Möglichkeiten in den Dienst einer großen Sache zu stellen.
Spannende Erwartung schürt, wie Boris Giltburg zu Beginn die Agogik direkt zu Beginn der Paraphrase ausdehnt, wie sein Spiel in schwelgerischer Agogik ausholt, um dann die imaginären Charaktere dieser Oper in den emotionalen Widerstreit miteinander zu schicken, wozu auch wilde Temperamentsausbrüche gehören. Und auch das nun folgende Hauptwerk, nämlich jene 12 transzendentalen Étuden atmen und dehnen sich aus, schwelgen, fordern und breiten genauso viel subtilen Tiefgang unter der schillernden Oberfläche aus. Dass es bei diesen „Etuden“ um mehr als nur die reine Technikstudie geht, das beweisen ja schon Titel wie „Paysage“, „Mazeppa“, „Vision“, „Eroica“, „Wilde Jagd“ oder „Ricordanza“. Mal rasend schnell und zupackend, etwa, wenn er in der d-Moll Etude „Mazeppa“ mit triumphaler Geste überwältigende Klanglawinen auslöst, dann wieder lyrisch und mit meditativer Nah-und Fernwirkung in der Dynamik. Giltburg hat die hohe Kunst tief verinnerlicht: Geht es doch darum, aus all dem nicht einfach möglichst viele gegensätzliche spieltechnische Herausforderungen zu schöpfen, sondern stattdessen den Zuhörer in tiefe Zustände von Versenkung mitzunehmen.
Für ein Auftauchen in entspannter Leichtigkeit ist die Schlussnummer hilfreich, nämlich eine Konzertetude mit dem treffenden Titel „La leggierezza“.
Stefan Pieper [31.01.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Konzertparaphrase nach der Oper »Rigoletto« von G. Verdi S 434 R 267 für Klavier | 00:07:50 |
2 | Douze Etudes d'exécution transcendante S 139 | 01:06:02 |
14 | Konzertetüde Nr. 2 S 144/2 (La leggierezza) | 00:05:28 |
Interpreten der Einspielung
- Boris Giltburg (Klavier)