Johann Friedrich Agricola
Achille in Sciro
Philharmonisches Orchester Altenburg Gera • Gerd Amelung

Rondeau ROP627172
2 CD • 2h 31min • 2024
27.04.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Johann Friedrich Agricola, 1720 in Dobitschen im thüringischen Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg geboren, ist der Musikwelt als Musikschriftsteller in Erinnerung geblieben, der keine Auseinandersetzung zu scheuen schien und ein ausgesprochener Gegner der Opernreform von Christoph Willibald Gluck (1714-1787) war. 1738 nahm er ein Jurastudium in Leipzig auf – das war im 18. Jahrhundert offensichtlich die übliche Universitätsausbildung für angehende Musiker, wie viele Beispiele seiner Generation der „Bach-Söhne“ belegen. Hier nahm er auch Klavierunterricht bei Johann Sebastian Bach und wirkte als Cembalist bei Aufführungen des von Bach geleiteten Collegium Musicum mit. Ab 1751 wirkte Agricola in Berlin in der Hofmusik König Friedrichs des Großen, dort ist er 1774 gestorben. Seine Musik galt insbesondere jüngeren Zeitgenossen als altmodisch, wie das Urteil seines Schülers Carl Friedrich Rellstab (1759-1813) ahnen lässt, der ihm die fragwürdige Würdigung als „…fleißigen, arbeitsamen, kritischen, aber nicht talentvollen Mann…“ zukommen lässt.
Konflikt der Generationen
Rellstabs harter Standpunkt gegenüber seinem „Lehrer“, den er vielleicht als schöpferischen Musiker nie respektiert hat, zeigt den musikalischen Bruch seiner Generation mit der musikalischen Tradition, die bei den älteren Mitgliedern seiner Generation (wie beispielsweise Carl Philipp Emanuel Bach) noch als grundlegender Ausgangspunkt akzeptiert worden war. Die Söhne der Bach-Söhne sahen insbesondere dank der musikalischen Entwicklungen, die von Neapel ausgingen, in eine Zukunft, die weniger durch die Strenge des 17. Jahrhunderts oder die spätbarocke Musizierfreudigkeit alla Veneziana bestimmt war.
Deutschland – eine reiche Theaterlandschaft
In keinem Land der Welt gibt es so viele regionale Opernhäuser und Orchester wie in Deutschland: ein reiches kulturelles Erbe, das wir der Zersplitterung des Heiligen Römische Reiches Deutscher Nation in viele einzelne Staaten zu danken haben. Die deutschen Fürsten – und sei ihr Staatsgebiet noch so klein – konkurrierten im Barock und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts miteinander in der Hofhaltung bis an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten (und gelegentlich darüber hinaus), um dem europäischen Vorbild Versailles nachzueifern. Das galt auch für Thüringen, das in zahlreiche Kleinfürstentümer zersplittert war, darunter zwei der Fürstenfamilie Reuss: eins für die ältere und eins für die jüngere Linie, die ihren Zwergstaat von Gera aus regierte. Reuß wandelte sich 1918 vom Fürstentum zum Volksstaat, und ging 1920 in dem neu gegründeten Land Thüringen auf, wurde dann in der DDR-Bezirkshauptstadt und ist heute als kreisfreie Stadt Teil des Bundeslandes Thüringen.
Renovation von Regionalkultur
Das Theater Altenburg Gera ist 1995 aus der Fusion des Landestheaters Altenburg mit den Bühnen der Stadt Gera entstanden, vereint also die Theatertraditionen der nachbarlichen thüringischen Staaten des Herzogtums Sachsen-Altenburg und des Fürstentums Reuß jüngere Linie. Diese große Barockoper ist für den repräsentativen Anlass der Vermählung des künftigen Königs von Preußen Friedrich Wilhelms II. im Jahr 1765 enstanden: Mit ihrer Wiederbelebung ist dem Theater Altenburg Gera unter Gerd Amelung, dem Leiter der Einspielung, ein großer Wurf gelungen. Besonders hervorzuheben sind die Leistungen der Vokalsolisten, denen Agricola, der ja auch Verfasser einer „Anleitung zur Singekunst“ war, hohe Virtuosität abforderte. So gelingt in dieser Einspielung eine alles andere als langweilige Wiedergeburt einer großen Oper des Spätbarocks, die den Rezensenten nicht zu langweilen vermochte (und somit durchaus für Agricolas Fähigkeiten zur szenischen Komposition einnahm) und deren heutige Aufführung ihm Respekt abnötigt.
Detmar Huchting [27.04.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Friedrich Agricola | ||
1 | Achille in Sciro | 02:31:04 |
Interpreten der Einspielung
- Angelo Giordano (Achille, Geliebter von Deidamia - Sopran)
- Julia Gromball (Deidamia, Tochter von Licomede - Sopran)
- Joel Vuik (Ulisse, Botschafter der Griechen - Sopran)
- Jasper Sung (Licomede, König von Sciro - Tenor)
- Nicolas Ziélinski (Teagene, Prinz von Caldice, Verlobter von Deidamia - Sopran)
- Leila Grace Hills (Nearco, Achilles Freund und Aufseher - Sopran)
- Miriam Zubieta (Arcade, Vertrauter von Ulisse - Sopran)
- Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera (Orchester)
- Gerd Amelung (Dirigent)