Antonio Vivaldi
Violin Concertos »per Pisendel«

cpo 555 379-2
1 CD • 51min • 2021
24.04.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Federico Guglielmo und seine Streicher von L‘Arte dell’Arco, deren Veracini-Aufnahmen ich in sehr positiver Erinnerung hatte, widmen sich in ihrer jüngsten Einspielung fünf Konzerten, die Antonio Vivaldi für den späteren Konzertmeister der berühmten Dresdner Hofkapelle Johann Georg Pisendel (1687-1755) schrieb. Dieser begleitete den sächsischen Kronprinzen auf seiner Grand Tour nach Venedig, wo er seine bei Giuseppe Torelli und Johann David Heinichen begonnene geigerische und kompositorische Ausbildung 1716 – nach anderen Quellen 1717/18 bei Vivaldi weiter vervollkommnete. Aufführungspraktisch sind diese Werke deshalb interessant, weil Pisendel, der im Konzert ungern improvisierte, sich die von ihm vorab festgelegten Verzierungen in dort notierte.
Maßarbeit aus dem Baukasten
Auch wenn es die Romantik mit ihrem Hang zum „Originalgenie“ gern anders gesehen hätten, waren die Komponisten des Barock Kunsthandwerker, die wie ein Schneider oder Goldschmied Kompositionen nach Maß fertigten und dabei zumeist unter Zeitdruck standen. Vivaldi hatte seine Arbeitsmethode dahingehend optimiert, dass er aus der einen geistigen Schublade eingängige Ritornellköpfe, die manchmal fast Kinderliedcharakter haben (Anfang von Frühling und Herbst in den Jahreszeiten), aus der nächsten deren Fortspinnung, aus einer Dritten harmonische Gerüste für die Soloabschnitte und aus einer Vierten sequenzierbare Figurationen unterschiedlicher Schwierigkeit für diese harmonischen Gerüste zusammenstellen konnte. Eine weiter Reihe war für die zumeist kurzen Mittelsätze mit Ideen für Sarabanden, Sicilianos und – wenn nötig - deren Auszierungen gefüllt.
Weitere Zeitersparnis entstand durch die weitgehend zweistimmige Kompositionsweise. Wichtig sind Melodie und Bass. Die Mittelstimmen, die vorwiegend nur in den Ritornellen zum Einsatz kommen – es sei denn, dass der Komponist sie für ein „Bassetgen“ (Bass in Altlage für die Violinen und/oder die Viola) einsetzt, dienen der harmonischen Füllung. Interessant auch, dass selbst in den gedruckten Werken nur der Anfang einer Figuration in den Soli ausnotiert ist, deren Fortsetzung aber einfach in ganztaktigen Akkorden notiert ist, sodass der Solist die Möglichkeit hat, entweder eine minimalistische Klangfläche zu erzeugen oder sich eigene Figuren überlegen kann.
Die Konzerte für Pisendel zeichnen sich durch besondere Virtuosität und eine starke Tendenz zu Nutzung der höchsten auf den damaligen kurzen Hälsen erreichbaren Lagen bis zum a‘‘‘ aus. Dies findet sich in den gedruckten Werken nur in den Jahreszeiten. In den früheren Werken war e‘‘‘ der Spitzenton.
Mit aggressivem Drive
Federico Guglielmo setzt in dieser Einspielung auf rasante Grundtempi und versucht diese in den Solo-Abschnitten noch weiter „nach vorn“ zu treiben. Dies wirkt, wenn man sich im Konzertsaal auf ein einziges Werk beschränkt, ungemein brillant, druckvoll und aufregend, wenn man es bei fünf aufeinanderfolgenden Werken macht, einfach nur hektisch. Zudem verleitet es zu ungenauer Intonation und unrunder Klangbildung besonders der hohen Lage. Eine größere Spannung entsteht, wenn man, die sich oft vierfach oder noch häufiger wiederholenden Sequenzen agogisch auflädt, indem man wesentlich gemächlicher beginnt und das Tempo in der Sequenz dann wieder zum Grundtempo der Ritornelle hin steigert. Auch könnte man die Figuration ändern oder sie zumindest klanglich stärker zu differenzieren suchen. Dies hilft den Eindruck von „Nähmaschinenbarock“ und ,– wie Strawinsky bissig bemerkte – dem einen Konzert, das Vivaldi 500 Mal komponierte, zu vermeiden.
Der Booklet-Text stammt von Michael Talbot, einem der profundesten Vivaldi-Kenner. Die Mikrophone wurden zu direkt platziert, was jede noch so kleine klangliche Unebenheit hörbar macht. Selbst bei der am wenigsten analytischen Oversampling- und Filter-Einstellung meines DAC wirkte die Aufnahme auch in hoher Auflösung noch überscharf.
Fazit: Am besten jedes Konzert einzeln anhören. Nach allen Fünfen ist erst einmal eine Vivaldi-freie Woche vonnöten.
Thomas Baack [24.04.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | Concerto d-Moll RV 237 (fatto per M Pisendel) | 00:08:36 |
4 | Concerto G-Dur RV 314 (fatto per M Pisendel) | 00:11:08 |
7 | Concerto D-Dur RV 205 (fatto per M Pisendel) | 00:12:42 |
10 | Concerto g-Moll RV 328 (fatto per M Pisendel) | 00:08:03 |
13 | Concerto A-Dur RV 340 (fatto per M Pisendel) | 00:10:47 |
Interpreten der Einspielung
- Federico Guglielmo (Violine)
- L' Arte dell'Arco (Ensemble)