
Naxos 8.557903
1 CD • 70min • 2005
03.07.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dieses Album ist von verräterischer Aussagekraft. Wir lernen in knapp 70 Minuten, dass die politische Missachtung oder Verfolgung eines Künstlers nicht automatisch für die Qualität seiner Produkte spricht; dass es fernerhin nicht reicht, bewährte Muster aufzugreifen und weiterzuspinnen, um den Schwung des Vorbilds zu eigenen Höhenflügen umzumünzen; und dass endlich der noch so clevere Umgang mit dem, was manche Leute bis heute „Material“ nennen, noch lange nicht der Schlüssel zum ästhetischen Empfinden oder zum Herzen des Publikums sein muss.
Die drei hier eingespielten Violinsonaten des Medtner-Zeitgenossen Nikolai Roslawetz (1880–1944) bewegen sich im Bereich einer Moderne, die einerseits nicht erkannt hat, dass Alexander Scriabin einen Endpunkt und keinen Anfang markierte, und andererseits darauf vertraut, dass die großen Gesten der Romantik, wenn man sie denn nur ins Dissonant-Diffuse wendet, für kommende Generationen genügend Hörstoff bieten. Beides ist so verkehrt wie der zeitweilige Ansatz Arnold Schönbergs, der beispielsweise in seinem dritten Streichquartett oder seinem Klavierkonzert lediglich wie ein „verbogener“ Klassiker klingt; doch Roslawetz kann einem darüber hinaus durch sein fast unablässiges Gewusel (namentlich auf dem Klavier) nach einiger Zeit auch ziemlich auf die Nerven gehen, und vor allem in der einsätzigen vierten Sonate wirken die bei Scriabin so ekstatisch-visionären Trillerketten nachgeahmt, aufgesetzt und musikalisch letztlich sinnlos – denn es fehlt die durchschlagende, vielleicht auch „verrückte“ Kraft des selbsternannten Messias und des Mysteriums, das ja ein Ende setzen und gewiss kein materialistischer Anfang sein sollte.
Einen eigenständigeren, wirklich überzeugenden Ton wie im Mittelsatz der sechsten Sonate schlägt Roslawetz nur selten an. Da kann man dann allerdings etwas von einer stärkeren, weniger geschwätzigen als eloquenten Persönlichkeit spüren. In solchen Momenten begreift man auch das bedeutende Engagement, das das Duo Soroka/Greene bei der Sichtung dieser Musik an den Tag legt und das die Produktion immerhin weit über eine statistische Katalogerweiterung erhebt – trotz des dünn-einsprachigen Booklets.
Rasmus van Rijn [03.07.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Nikolai Roslavets | ||
1 | Sonate Nr. 6 für Violine und Klavier | 00:28:43 |
4 | Sonate No. 4 for Violin and Piano – Allegro con spirito (non troppo allegro) | 00:15:33 |
5 | Sonate No. 1 for Violin and Piano – Allegro non troppo | 00:16:16 |
6 | Drei Tänze | 00:09:04 |
Interpreten der Einspielung
- Solomia Soroka (Violine)
- Arthur Greene (Klavier)