
Hungaroton HCD 32570
1 CD • 70min • 2008
01.07.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Längst haben sich die Klarinettenquartette des finnischen Klassikers Bernhard Henrik Crusell (1775-1838) als Standardwerke der Kammermusikliteratur für Solobläser mit Streichertrio etabliert. Daß die Liebhaber diese geschmackvollen, leichtfüßig-unterhaltenden Kompositionen wesentlich häufiger als CD-Produktionen zu hören bekommen als im Konzert, will nicht recht einleuchten. Offensichtlich drängt es Veranstalter und die Soloprominenz der Klarinettistenzunft eher zu Podiumsaktivitäten im Verbund mit namhaften Dirigenten und großen Orchestern. Der Drang zur Selbstdarstellung jedenfalls wird bei Crusells Stücken nicht bedient, trotzdem gibt es die Neigung, diesen vermeintlich „kleineren“ Kostbarkeiten auch im Studio den Stempel virtuoser Brillanz aufzudrücken. Darin unterscheidet sich auch die vorliegende Neuproduktion wenig von ihren Vorläufern. Bei allem Respekt, den der ungarische Solobläser László Horváth als Repräsentant seines Faches verdient, schleicht sich bei ihm und seinen Partnern die verführerische Neigung zu einer virtuosen Tempowahl der schnellen Sätze und Figurationen ein. Da helfen selbst die vom Autor vorgesehenen Anweisungen nicht viel, wenn man etwa das Allegro „non tanto“ – „nicht so schnell!“ – im Kopfsatz von Opus 7 (Track 9) mit ungarischem Temperament beschleunigt. Immer wieder passiert es dann, daß selbst ein makellos beherrschtes Ton-Technik-Verhältnis eine Fülle virtuoser Feinheiten allzu pauschal am Ohr des Zuhörers vorbeihuschen läßt.
Crusells liedhaft-melodische Einfälle, reich an kantablen Gestaltungsmöglichkeiten, speziell im Gestrüpp der Verzierungen und Koloraturen, mutieren gerade dort zu einer mehr artistischen Vorführung der Fingerfertigkeit. Leidtragende sind in der Regel die Streicherkollegen, deren Miteinander im Wechselspiel der Themen, Läufe und Tonkaskaden durch eine ungünstige Klangbalance, vor allem aber andere Schwingungsverhältnisse, Spielgesten und Bläserdominanz vom Hörer gar nicht mehr nachvollzogen werden können. Fazit: die Wiederentdeckung einer durchweg beseelten Moderato-Vortragskultur, hier durchaus beglückend dargeboten in allen Adagio- und Largo-Abschnitten, gilt speziell für Crusells muntere Satzteile und gehört absolut in das aktuelle Kapitel einer klassisch-authentischen Aufführungspraxis. Immerhin zählt der Komponist zu den führenden Klarinettenvirtuosen des 19. Jahrhunderts, der es verstand, ideenreich präludierend, jubilierend, stets mit Sinn für die „singenden“ Kapriolen seiner Bläserpartien und der Instrumente seiner gleichberechtigten (nicht nur begleitenden) Partner zu komponieren. So gesehen, löst die Hungaroton-Produktion als „Label of Discoveries“ viel von ihrem Versprechen ein, sollte zugleich aber darauf bedacht sein, dem deutschen Übersetzungstext der vorliegenden CD sprachlich die angesmessene Sorgfalt angedeihen zu lassen.
Dr. Gerhard Pätzig [01.07.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Bernhard Henrik Crusell | ||
1 | Quartett c-Moll op. 4 für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello | 00:19:45 |
5 | Quartett op. 2 Nr. 1 für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello | 00:22:33 |
9 | Quartett D-Dur op. 7 für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello | 00:28:04 |
Interpreten der Einspielung
- László Horváth (Klarinette)
- Trio Dumas (Ensemble)