
Neos 11008/09
2 CD • 2h 11min • 2008, 2009
01.03.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der 1919 in Warschau geborene Mieczysaw Weinberg flüchtete 1939 vor den anrückenden Nazi-Truppen in die Sowjetunion, wo ein Grenzbeamter ihm wegen seiner jüdischen Herkunft den „landesüblichen" jüdischen Namen Moisej (= Moses) verpaßte, dazu die russische Schreibung Vajnberg; der Komponist flüchtete nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion von Minsk nach Taschkent und ließ sich später in Moskau nieder, wo Schostakowitsch sein Förderer und Freund wurde. Dort verbrachte Weinberg auch den Rest seines Lebens und starb 1996. Er war ein durchaus anerkannter Komponist, obwohl er sich von allzu großer Systemnähe fernhielt. Im Westen entdeckt man Weinberg erst seit wenigen Jahren und mit ihm einen Musiker, der nicht nur außerordentlich fruchtbar war, sondern auch stilistisch eine merkbare Eigenständigkeit entwickelte und bewahrte, trotz einer gewissen auch hörbaren Nähe zu Schostakowitsch.
Dass jemand gleich vier Solosonaten für die Bratsche schrieb, dürfte in der Musikgeschichte kaum Parallelen haben; erstaunlicherweise sind alle vier Werke originell, haben einen eigenen „Ton" und spannungsreiche Verläufe. Hier gibt es für die in ihrem Repertoire nicht gerade auf Rosen gebetteten Bratscher einiges zu entdecken. Dazu auch die Klarinettensonate op. 28, die sich im Anschluß an Brahms' op. 120 leicht als Bratschensonate interpretieren läßt. Schließlich gibt es als quasi Zugabe auch noch eine Solosonate von Fëdor Druinin (Fyodor Druzhinin), den einstigen Bratscher des Moskauer Beethoven-Quartetts. Er lebte von 1932 bis 2007 und hat mehrere Werke unter Beteiligung der Viola verfaßt, die, nach seiner sehr ansprechenden Solosonate zu schließen, ebenfalls entdeckt zu werden verdienen.
Die Interpretin Julia Rebekka Adler zeigt durchweg einen vollmundigen, warmen Ton, besonders im sonoren tiefen Register, technische Abgeklärtheit und umsichtig gliederndes Formbewußtsein. Pianist Jascha Nemtsov (in op. 28) widmet sich mit Sorgfalt einem Repertoire, an dessen (Wieder-)Entdeckung er als Forscher maßgeblich beteiligt ist. Was diese musikalisch wertvolle Edition geringfügig beeinträchtigt, ist einmal das Fehlen jeglicher Satzbezeichnungen bei Weinbergs Sonaten Nr. 2-4, des Weiteren der Verzicht auf eingehendere Kommentare zu den einzelnen Werken. Es ist schließlich keine Musik, die man stumpfsinnig als Hintergrund zum Zeitunglesen abspult. Weinberg ist interessant genug, sich eingehend auf seine Musik einzulassen.
Dr. Hartmut Lück † [01.03.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Mieczyslaw Weinberg | ||
1 | Sonate op. 28 for Clarinet and Piano | 00:18:49 |
Fyodor Druzhinin | ||
4 | Sonate für Viola | 00:16:58 |
Mieczyslaw Weinberg | ||
8 | Sonate Nr. 1 op. 107 für Viola | 00:25:44 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Sonate Nr. 2 op. 123 für Viola | 00:15:50 |
5 | Sonate Nr. 3 op. 135 für Viola | 00:32:55 |
10 | Sonate Nr. 4 op. 136 für Viola | 00:20:17 |
Interpreten der Einspielung
- Julia Rebekka Adler (Viola)
- Jascha Nemtsov (Klavier)