matters of the heart
Schumann Strauss

Prospero PROSP 0023
1 CD • 65min • 2021
17.06.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Robert Schumanns vielgeliebter Zyklus Frauenliebe und –leben stellt die aufgeklärten und emanzipierten Sängerinnen von heute wegen des rückständigen Frauenbildes in der zugrunde liegenden Dichtung Adelbert von Chamissos vor ein grundlegendes Problem: Wie bringt man das in unserer Zeit rüber? Ein sachlicher, distanzierter Vortrag wird Schumanns Musik nicht gerecht, ein Übermaß an Sentiment aber macht sie kaputt. Entweder man lässt sich auf die Gefühlswelt dieser Lieder ein und findet eine Haltung dazu oder man macht besser einen großen Bogen um sie.
Eine Möglichkeit einer zeitgemäßen Annäherung haben zuletzt Carolyn Sampson und Joseph Middleton gefunden (BIS SACD 2473), indem sie die acht Chamisso-Vertonungen in andere Kompositionen der Schumanns einbetteten, darunter sieben von Clara, und das Thema ehelicher Liebe unter diversen anderen Gesichtspunkten beleuchteten. Die Frau wurde dadurch von ihrer Rolle als Heimchen am Herd befreit und ihre völlige Hingabe als Ausdruck ihrer Stärke erkennbar. Die junge irische Sopranistin Sarah Brady, derzeit in Hannover engagiert, und ihr australischer Klavierpartner Stephen Delaney gehen einen ähnlichen Weg, indem sie den Zyklus mit Liedern von Richard Strauss kombinieren und damit einen neuen erzählerischen Zusammenhang schaffen.
Einleuchtende Dramaturgie
Als Liedkomponist ist Richard Strauss in vieler Hinsicht ein Nachfolger von Robert Schumann, seine hier ausgewählten Titel ergänzen und erweitern die Inhalte von Frauenliebe und –leben, teilweise auch aus männlicher Perspektive, aber sie setzen keinen wirklichen Kontrapunkt, denn die vertonten Autoren vermitteln im wesentlichen dasselbe Frauenbild wie Chamisso. Vom Aufbruch der Frauenrechtlerinnen ist da – trotz der Entstehungszeit – noch nichts zu ahnen. Die Dramaturgie, der Brady und Delaney in ihrem Programm folgen, ist gleichwohl einleuchtend. Strauss gibt den Rahmen vor. Es beginnt, emotionale Wechselbäder ankündigend, mit Ruhe, meine Seele! Und endet nach dem Tod des Gatten im Schumann-Lied optimistisch-versöhnlich mit Morgen! Dazwischen werden die Themen Liebe, Heirat, Mutterglück und Abschied in kleinen Blöcken abgehandelt, gelegentlich unterbrochen durch klavieristische Intermezzi, die aber – wie im ersten der Fünf Klavierstücke op. 3 von Strauss („In memoriam Carolyn Hague“ - eine Kollegin von Delaney) – einen erkennbaren Bezug zum Thema haben.
Großes Versprechen für die Zukunft
Sarah Brady, die mich unlängst in einem Figaro-Livestream aus Hannover als Susanna sängerisch wie schauspielerisch überzeugen konnte, tut dies auch im vorliegenden Recital: Eine anmutige lyrische Stimme und eine unverkünstelte, ehrliche Interpretin. Den Schumann-Zyklus, von dem es schon zahllose erstklassige Aufnahmen gibt, geht sie mit großer Natürlichkeit und dem ernsthaften Bemühen um die leiseren Zwischentöne an. Und dass ihre Stimme prädestiniert für die Lieder von Richard Strauss ist, wie ihr Partner (und vermutlich Mentor) Stephen Delaney meint, glaube ich auch. Sie kann hier vor allem in den Höhen aufblühen und sich in den „weitläufigen, stets schweifenden Linien“ (Brady) der Musik regelrecht verströmen. Des Freiherrn von Schack männlichen Lockruf im populären Ständchen serviert sie mit jungmädchenhaftem Schalk. Das hat auch seinen Reiz. Im Augenblick entspricht ihr Stimmtypus am ehesten der Sophie im Rosenkavalier. Strauss hat viele seiner Lieder für etwas schwerere Stimmkaliber geschrieben, anfangs vor allem für seine Frau Pauline de Ahna. Es ist offen, wohin sich die Stimme von Sarah Brady noch entwickeln wird. Delaney ist nicht nur Begleiter, sondern auch diskreter Führer der Sängerin und meistert die Klavierparts mit Sensibilität und gestalterischer Phantasie.
Ekkehard Pluta [17.06.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Strauss | ||
1 | Ruhe, meine Seele! op. 27 Nr. 1 | 00:03:31 |
Robert Schumann | ||
2 | Warum? op. 12 Nr. 3 - Langsam und zart | 00:02:38 |
3 | Seit ich ihn gesehen op. 42 Nr. 1 | 00:02:19 |
4 | Er, der Herrlichste von allen op. 42 Nr. 2 | 00:02:59 |
Richard Strauss | ||
5 | Ständchen op. 17 Nr. 2 | 00:02:18 |
6 | Einerlei op. 69 Nr. 3 | 00:02:36 |
Robert Schumann | ||
7 | Ich kann's nicht fassen, nicht glauben op. 42 Nr. 3 | 00:01:44 |
8 | Du Ring an meinem Finger op. 42 Nr. 4 | 00:02:39 |
Richard Strauss | ||
9 | Klavierstück op. 3 Nr. 4 – Allegro molto | 00:04:27 |
Robert Schumann | ||
10 | Helft mir, ihr Schwestern op. 42 Nr. 5 | 00:01:46 |
Richard Strauss | ||
11 | Cäcilie op. 27 Nr. 2 | 00:02:05 |
12 | Beim Schlafengehen op. 150 Nr. 3 | 00:05:19 |
Robert Schumann | ||
13 | Süßer Freund, du blickest op. 42 Nr. 6 | 00:04:42 |
14 | An meinem Herzen, an meiner Brust op. 42 Nr. 7 | 00:01:25 |
Richard Strauss | ||
15 | Wiegenlied op. 41 Nr. 1 für Sopran und Orchester | 00:03:55 |
16 | Muttertändelei op. 43 Nr. 2 für Sopran und Orchester | 00:02:24 |
17 | Klavierstück op. 3 Nr. 1 – Andante | 00:05:30 |
18 | Befreit op. 39 Nr. 4 | 00:04:58 |
Robert Schumann | ||
19 | Nun hast du mir den ersten Schmerz getan op. 42 Nr. 8 | 00:03:39 |
Richard Strauss | ||
20 | Morgen! op. 27 Nr. 4 | 00:03:51 |
Interpreten der Einspielung
- Sarah Brady (Sopran)
- Stephen Delaney (Klavier)