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Besprechung CD

Sylvano Bussotti

Pièces de Chair II
E-MEX Ensemble

Genuin GEN 25918

1 CD • 67min • 2024

25.03.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Der Zyklus Pièces de chair II („Fleischstücke“), in den Jahren 1958-60 entstanden, in seiner Gänze aber erst 1970 in Paris uraufgeführt, ist das erste längere Werk des italienischen Komponisten Sylvano Bussotti (1931-2021) und galt in seiner Zeit als ein Gipfelpunkt musikalischer Avantgarde.

Zwischen gestern und morgen

So neuartig und modern erschien es sogar den fortschrittlichen Musikkennern, dass der damalige Direktor der Darmstädter Ferienkurse (Wolfgang Steinecke) die geplante und mit Cathy Berberian und William Pearson in den Gesangspartien prominent besetzte Premiere nicht genehmigte und lediglich die Aufführung der in den Zyklus integrierten Five Piano Pieces for David Tudor zuließ. Eine spätere Aufführung an der Kölner Musikhochschule wurde durch randalierende Gruppen empfindlich gestört. Das aufreizend Neue lag für die Ausführenden in der graphischen Notation, der teilweise kalligraphisch gestalteten Partitur. Stilistisch versucht Bussotti in einem schöpferisch-experimentellen Prozess alte Formen wie die traditionelle italienische Madrigalkunst mit seriellen Elementen zu verbinden. Dabei wird in der Instrumentierung auch südländische Klangsinnlichkeit angestrebt, was auch dem Inhalt der verwendeten Texte (u.a. von Genet und Joyce) entspricht, die verdeckt oder unverhüllt die homoerotische Liebe feiern.

Fast eine zweite Uraufführung

Die hier eingespielte Fassung, die sich in einigen Punkten von der ursprünglichen Version unterscheidet, ist gewissermaßen eine Weltpremiere. Geplant war sie aus Anlass von Bussottis 90. Geburtstag am 1. Oktober 2021, der allerdings zwei Wochen vorher verstarb. Künstlerische Weggefährten des Komponisten wie die Sopranistin Monica Benvenuti haben Anregungen gegeben, der Fachbereich Musikwissenschaft an der Universität Gießen hat neues, vorher nicht berücksichtigtes Material zugänglich gemacht. Ob mit dieser revidierten Fassung ein neues Kapitel in der Rezeption des seit der Uraufführung auch wegen seines Schwierigkeitsgrades nur selten gespielten Zyklus aufgeschlagen wird, bleibt abzuwarten.

Überzeugende Umsetzung

Die engagierte und in allen Belangen geglückte Wiedergabe durch das E-MEX-Ensemble unter ihrem Leiter Christoph Maria Wagner bietet jedenfalls eine gute Grundlage für eine Neubewertung. Die beiden Gesangssolisten verdienen hohes Lob. Der vor allem in Wagners Heldenbariton-Rollen bekannt gewordene Renatus Mészár, der den vokalen Hauptanteil trägt, verblüfft durch die geradezu artistische Bewältigung seines durch alle Regionen der menschlichen Stimme surfenden Gesangsparts. Monica Benvenuti behauptet sich in ihrem langen Solo voix de femme respektgebietend gegen die Erinnerung an Cathy Berberian, die (begleitet von Luciano Berio) mit diesem Stück akustisch dokumentiert und auf youtube zu hören ist. Das Booklet enthält eine gründliche und aufschlussreiche Werkeinführung von Egbert Hiller und die Liedtexte in den gesungenen Sprachen (ohne Übersetzung). Den Abdruck des Gedichts le nègre von Jean Genet haben die Herausgeber mit einem * und dem Hinweis versehen: „Als Label distanzieren wir uns von diesem (diskriminierenden) Begriff“. Geht’s noch?

Ekkehard Pluta [25.03.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sylvano Bussotti
1Pièces de Chair II 01:06:42

Interpreten der Einspielung

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