Franz Lachner
Symphony No. 4 • Andante for Brass Ensemble

cpo 555 238-2
1 CD • 57min • 2019
28.04.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Gernot Schmalfuss und sein Evergreen Symphony Orchestra aus Taipeh (sic!) erwerben sich einmal mehr Verdienste um die Sinfonik Franz Lachners und ergänzen ihre Serie, in der die Sinfonien Nr. 3 und Nr. 6 bereits erschienen sind, jetzt um eine Aufnahme der Vierten Sinfonie in E-Dur. Diese wurde nie gedruckt und vom Komponisten wohl auch mit keiner Opuszahl versehen. Ein in der Literatur grassierender Hinweis auf den Verleger und Komponisten Diabelli und die Opuszahlen 46 bzw. 54 sind nicht verifizierbar. Sie entstand 1834 und wurde 1835 in Wien uraufgeführt.
Multi-Instrumentalist und Mitglied im Schubert-Kreis
Gebürtig aus Rain am Lech in der Nähe von Ingolstadt, vom Vater, einem Uhrmacher und Organisten, an Klavier und Orgel unterrichtet, ging Franz Paul Lachner (1803-1890) als Multi-Instrumentalist (Geige, Cello, Kontrabass, Horn) nach München und verdiente sich seinen Theorie- und Orgelunterricht beim Hoforganisten Caspar Ett durch Aushilfen am Isartortheater. Als Zwanzigjähriger wechselte er 1823 auf die Organistenstelle der evangelischen Kirche in Wien. Dort lernte er Beethoven sowie Schubert mitsamt Freundeskreis kennen und vervollständigte seine Ausbildung bei Simon Sechter, dem späteren Kontrapunktlehrer Anton Bruckners, sowie bei Maximilian Stadler, dem Klarinetten-Freund Mozarts. Er wurde Kapellmeister am Kärntnertortheater, wechselte wegen des vom Erfolg des jeweiligen Pächters abhängigen unsicheren Einkommens für kurze Zeit nach Mannheim und ging schließlich 1836 als königlich-bayerischer Hofkapellmeister zurück nach München. Zu seinen Schülern zählen J. G. Rheinberger und Ludwig Wüllner. Nach 32-jähriger Tätigkeit hatte die Wagnerbegeisterung Ludwigs II., der das Dirigat Hans v. Bülows vorzog, seine Pensionierung zur Folge.
Warum so spät erst …
Lachners Vierte Sinfonie in E-Dur, deren Autograph in der Münchner Staatsbibliothek liegt und die für die Aufnahme erst spartiert werden musste, ist ein hochromantisches, mit doppeltem Holz, 4 Hörnern, 2 Trompeten und drei Posaunen groß besetztes Werk, das in seiner Ausdehnung von über 50 Minuten an Schuberts Große C-Dur-Sinfonie anknüpft und bereits auf Anton Bruckner verweist. Als erfahrener Opernkapellmeister weiß der Komponist zu instrumentieren und zeigt sich im Gebrauch der Klangfarben versierter als seine jüngeren Kollegen Schumann und Mendelssohn.
Über dem Ganzen liegt eine Webers Freischütz vergleichbare Stimmung von Waldseligkeit (Kopfsatz) und ländlichen Tänzen (Scherzo und Finale), die sich kontrastierend mit gelegentlich massiven Klangentladungen eintrüben kann. Die Motive sind eingängig, bleiben jedoch hinterher – anders als bei Schubert – nicht lange im Gedächtnis haften. Als höchst originell erweist sich das Andante, dessen Liedthema, das sich mit seinen Fermaten-Einschnitten an den protestantischen Choral anlehnt, in immer neuen Klangfarben präsentiert wird und sich darin von der Improvisationspraxis der Organisten inspiriert zeigt. Ebenso originell, das Finale mit einer langsamen Einleitung zu versehen, wobei sicherlich Beethovens Neunte und Hammerklaviersonate Pate standen. Qualitativ zumindest auf dem Niveau von Mendelssohns Reformations-Sinfonie oder Schumanns Zweiter. Somit ein absolut valides Werk, das die Konzertprogramme bereichern könnte.
Für versierte Blechbläserensembles könnte sich das zugegebene As-Dur-Andante für Blechbläsernonett bei feierlichen Anlässen bewähren.
Erfreuliche Interpretation
Gernot Schmalfuß hat mit den Streichern des Evergreen Symphony Orchestra offensichtlich an der Intonation gefeilt. Leider klingen diese immer noch etwas drahtig, was womöglich einer zu direkten Mikrophonposition beruht. Die vielbeschäftigten Bläser agieren hingegen ausgezeichnet, was nicht verwundert, wenn sie von einem virtuosen Oboisten einstudiert werden. Dies ermöglicht dem Dirigenten große Bögen zu spannen und immer sinngemäß und elegant zu phrasieren. Gut gemacht!
Die Aufnahmetechnik ist eher durchschnittlich, was aber durch den exzellenten, die Werke bis ins Detail mit sekundendgenauen Stopp-Marken analysierenden Booklet-Text von Bert Hagels mehr als wettgemacht wird.
Fazit: Eine Sinfonie, die man zur Irreführung als ganz frühen, „neuentdeckten“ Bruckner verkaufen könnte. Auf jeden Fall hörenswert. Eigentlich peinlich, dass keines der in Bayern ja reichlich vertretenen Spitzenorchester es bisher für nötig gehalten hat, eine Gesamtaufnahme der Sinfonien des ehemaligen Münchner GMD auf höchstmöglichem Niveau einzuspielen.
Thomas Baack [28.04.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Paul Lachner | ||
1 | Sinfonie Nr. 4 E-Dur | 00:51:53 |
5 | Andante As-Dur für Blechbläserensemble | 00:05:10 |
Interpreten der Einspielung
- Evergreen Symphony Orchestra (Orchester)
- Gernot Schmalfuß (Dirigent)