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Besprechung CD

Abracadabra

Beatrice Berrut

la dolce volta LDV 136

1 CD • 61min • 2024

25.04.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die 1985 geborene schweizerische Pianistin Beatrice Berrut wuchs im Wallis auf, studierte dann in Zürich und Berlin jeweils bei Schülerinnen des berühmten russischen Klavierpädagogen Heinrich Neuhaus, auf dessen Klaviermethodik sie sich beruft. Schon seit langem fasziniert sie die Kunst und Tradition der Transkription von Orchesterwerken aufs Klavier. Sie widmete sich diesem Metier auch auf ihren bisherigen CD-Einspielungen und mit eigenen Bearbeitungen. Der Titel ihres neuen Albums „Abracadabra“ verweist auf die fast durchgängig märchenhaften, unter anderem durch Zauberei geprägten Sujets der Vorlagen zur hier vorgestellten Musik.

Orchestrale Farbigkeit auf einem Bösendorfer

Das Album beginnt mit Berruts eigener Transkription von Paul Dukas' L'Apprenti sorcier nach Goethes bekanntem Gedicht. Bereits hier demonstriert die Pianistin ihr ganz außergewöhnliches Talent, sehr differenziert und einfallsreich eine breite Palette verschiedener Orchesterfarben auf ihr Instrument zu übertragen. Sowohl die adäquate Umsetzung von Streichertremoli als auch des dichten Geschehens, wenn der Zauberlehrling die Kontrolle über seine Werkzeuge verliert, gelingen ihr fabelhaft – mit der nötigen Portion phantastischen Humors. Bei Liszts Bearbeitung von Saint-Saëns' Danse macabre begeistert ebenfalls die Farbigkeit und Lebendigkeit des Vortrags, die Eindringlichkeit quasi orchestraler Gewalt. Die Klarheit selbst bei den halsbrecherischen Repetitionen und Trillern, geht allerdings etwas auf Kosten des Tempos, so dass das Stück unter Berruts Händen über Strecken ein wenig zu verträumt erscheinen mag und kurz vor Schluss zu einem wilderen Totentanz hätte werden können.

Viel Konkurrenz bei Agostis Strawinsky-Transkription

Die absolut geniale Übertragung der drei Schlussabschnitte von Strawinskys Feuervogel-Suite durch den Italiener Guido Agosti (1901–1989) – hier geht's sofort mit dem Höllentanz des Königs Kastschei richtig zur Sache – schien lange vergessen, aber in den letzten Jahren gab es mindestens drei Neueinspielungen von Weltklasse-Pianisten: Kantorow, Trifonov und Rana. Mit der etwas mit der heißen Nadel gestrickten und klanglich recht eindimensionalen Darbietung des damals erst 18-jährigen Alexandre Kantorow – noch drei Jahre vor seinem Triumph beim Tschaikowsky-Wettbewerb – kann Beatrice Berrut indes locker mithalten, klanglich wie strukturell. Die Berceuse überzeugt mit echter Innigkeit, das Finale mit erlesenen Klangfarben. Sogar in Sachen Virtuosität, die bei ihr ganz im Dienst fein abgestufter orchestraler Balance steht, legt sie mehr Sorgfalt an den Tag als selbst Daniil Trifonov, der diese Transkription eher als reine Shownummer auffasst. Einziger Kritikpunkt im Danse infernale wäre eine Spur zu viel lokaler Agogik. Solches findet man auch bei Beatrice Rana, aber in allen sonstigen Belangen ist diese der Konkurrenz hier nochmals spürbar überlegen.

Eigene Traumwelten und Filmmusikbearbeitungen

In ihrem eigenen kleinen Zyklus Untold Tales versucht Berrut, traditionellen weiblichen Märchenfiguren zeitgemäßere entgegenzusetzen – alles recht brav und tonal, mehr mit impressionistischen als romantischen Anspielungen. Das zweite der drei Stücke Die bipolare Meerjungfrau bezieht sich nicht nur pianistisch, mit staunenswerten Arpeggien, auf Ravels Ondine. Die beiden anderen Bilder wirken allerdings trotz gekonnter Pianistik altmodisch und blass. Ganz anders dann wieder Pavel Pabsts (1854–1897) Konzertparaphrase über Tschaikowskys Dornröschen und Berruts stimmungsvolle Umsetzungen zweier bekannter Filmmusiken: Higitus Figitus aus The Sword in the Stone der Sherman-Brüder und John Williams' Hedwig-Thema aus Harry Potter. Die Künstlerin badet mit ihrem Bösendorfer, der in Wernigerode aufnahmetechnisch wirklich perfekt eingefangen wurde, in atmosphärisch passend übersetzten Orchesterklängen, dass es eine wahre Freude ist. Seltsam indes, warum für das Booklet derart dickes Papier verwendet wurde, wie man es allenfalls von Büchern für Vorschulkinder kennt.

Vergleichsaufnahme: [Strawinsky-Agosti] Alexandre Kantorow (BIS-2150, 2016); Daniil Trifonov („Silver Age“, DG 28948353316, 2019), Beatrice Rana (Warner 0190295411091, 2019)

Künstlerische Qualität: 9 Klangqualität: 10 Gesamteindruck: 9

Martin Blaumeiser [25.04.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Paul Dukas/Béatrice Berrut
1L' Apprenti Sorcier (Bearb. für Klavier) 00:10:37
Camille Saint-Saëns/Franz Liszt
2Danse macabre op. 40 (Sinfonische Dichtung - Bearb. für Klavier) 00:10:13
Igor Strawinsky/Guido Agosti
3L' Oiseau de Feu (Bearb. für Klavier) 00:12:24
Béatrice Berrut
6Untold Tales 00:16:03
Peter Tschaikowsky/Paul Pabst
9Dornröschen (Konzertparaphrase, Bearb. für Klavier) 00:06:34
Richard Sherman/Béatrice Berrut
10Higitus Figitus (aus The Sword in the Stone, Bearb. für Klavier) 00:01:44
John Williams/Béatrice Berrut
11Hedwig (aus Harry Potter, Bearb. für Klavier) 00:03:01

Interpreten der Einspielung

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