Gernot Schmalfuss und sein Evergreen Symphony Orchestra aus Taipeh (sic!) erwerben sich einmal mehr Verdienste um die Sinfonik Franz Lachners und ergänzen ihre Serie, in der die Sinfonien Nr. 3 und Nr. 6 bereits erschienen sind, jetzt um eine Aufnahme der Vierten Sinfonie in E-Dur. Diese wurde nie gedruckt und vom Komponisten wohl auch mit keiner Opuszahl versehen. Ein in der Literatur grassierender Hinweis auf den Verleger und Komponisten Diabelli und die Opuszahlen 46 bzw. 54 sind nicht verifizierbar. Sie entstand 1834 und wurde 1835 in Wien uraufgeführt.
Achille in Sciro Philharmonisches Orchester Altenburg Gera • Gerd Amelung
Rondeau ROP627172
2 CD • 2h 31min • 2024
27.04.2025 • 9 9 9
Johann Friedrich Agricola, 1720 in Dobitschen im thüringischen Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg geboren, ist der Musikwelt als Musikschriftsteller in Erinnerung geblieben, der keine Auseinandersetzung zu scheuen schien und ein ausgesprochener Gegner der Opernreform von Christoph Willibald Gluck (1714-1787) war. 1738 nahm er ein Jurastudium in Leipzig auf – das war im 18. Jahrhundert offensichtlich die übliche Universitätsausbildung für angehende Musiker, wie viele Beispiele seiner Generation der „Bach-Söhne“ belegen. Hier nahm er auch Klavierunterricht bei Johann Sebastian Bach und wirkte als Cembalist bei Aufführungen des von Bach geleiteten Collegium Musicum mit. Ab 1751 wirkte Agricola in Berlin in der Hofmusik König Friedrichs des Großen, dort ist er 1774 gestorben.
Der Eindruck, dass Hanns Eisler (1898–1962) kein Komponist ist, der derzeit verstärkt im Fokus steht, täuscht wohl eher nicht, denn auch wenn ein genauerer Blick auf die Veröffentlichungen der letzten Jahre sehr wohl eine Reihe von Aufnahmen seiner Musik liefert (teils allerdings im Rahmen gemischter Alben), dann doch eher innerhalb eines relativ engen Rahmens, der etwa erwartungsgemäß sein Liedschaffen inkludiert, nicht aber Werke wie z.B. die großartige, unbedingt aufführenswerte Deutsche Symphonie. Interessanterweise erscheint auch das ein oder andere Klavierwerk dann und wann auf Tonträger, obwohl Eisler selbst ein durchaus nicht unkompliziertes Verhältnis zu Klaviermusik im Allgemeinen hatte. Nichtsdestotrotz sticht eine Neuerscheinung wie die vorliegende, auf der Steffen Schleiermacher ein wohlgefülltes Album zur Gänze Klaviermusik von Eisler widmet, noch einmal deutlich heraus.
Die 1985 geborene schweizerische Pianistin Beatrice Berrut wuchs im Wallis auf, studierte dann in Zürich und Berlin jeweils bei Schülerinnen des berühmten russischen Klavierpädagogen Heinrich Neuhaus, auf dessen Klaviermethodik sie sich beruft. Schon seit langem fasziniert sie die Kunst und Tradition der Transkription von Orchesterwerken aufs Klavier. Sie widmete sich diesem Metier auch auf ihren bisherigen CD-Einspielungen und mit eigenen Bearbeitungen. Der Titel ihres neuen Albums „Abracadabra“ verweist auf die fast durchgängig märchenhaften, unter anderem durch Zauberei geprägten Sujets der Vorlagen zur hier vorgestellten Musik.
Federico Guglielmo und seine Streicher von L‘Arte dell’Arco, deren Veracini-Aufnahmen ich in sehr positiver Erinnerung hatte, widmen sich in ihrer jüngsten Einspielung fünf Konzerten, die Antonio Vivaldi für den späteren Konzertmeister der berühmten Dresdner Hofkapelle Johann Georg Pisendel (1687-1755) schrieb. Dieser begleitete den sächsischen Kronprinzen auf seiner Grand Tour nach Venedig, wo er seine bei Giuseppe Torelli und Johann David Heinichen begonnene geigerische und kompositorische Ausbildung 1716 – nach anderen Quellen 1717/18 bei Vivaldi weiter vervollkommnete. Aufführungspraktisch sind diese Werke deshalb interessant, weil Pisendel, der im Konzert ungern improvisierte, sich die von ihm vorab festgelegten Verzierungen in dort notierte.
Dass ein Konzept-Album mit dem Titel „Echoes of Latvia“ – auf dem Aspekte der lettischen Musikgeschichte vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart buchstäblich „durchgespielt“ werden – bei dem spannenden, hierzulande leider immer noch viel zu wenig bekannten lettischen Label SKANi erscheint, ist nur konsequent. Vorab ein paar Worte zu SKANi (das lettische Wort „skani“ heißt übersetzt „erklingen“): das Label ist dem „Latvian Music Information Center“ (www.lmic.lv) angeschlossen und es repräsentiert mit seinen (Stand heute) rund 170 Alben – ähnlich wie das dänische Label Dacapo Records – die klingende Kultur seines geographisch zwar kleinen, in musikalischer Hinsicht jedoch großen Landes.
Das klingt ja wie…… Ravel, Debussy oder Satie? Beim Abspielen dieser CD dürfte den geneigten Hörer des öfteren das Gefühl beschleichen, das ein oder andere Stück schon mal gehört zu haben – jedenfalls so ähnlich. Ein Blick auf die Trackliste wirkt zunächst vertraut: Satie findet sich da, Ravel und Debussy ebenso wie Chris Gall. Aber Ravel ist hier nicht Ravel, ebenso wenig wie Debussy und Ravel hier in Originalform erklingen. Der Pianist Chris Gall ist Urheber dieser Einspielung mit Improvisationen frei nach impressionistischen Komponisten.
Die aus Kanada stammende, in Wien lebende Pianistin Christyna Kaczynski-Kozel hat für ihr neues Album zehn der beliebtesten Scarlatti-Sonaten ausgewählt, die sie auf einem Flügel einspielte. Neben tiefgründigen Stücken wie der h-Moll-Sonate L 33 oder der melancholischen Sonate L 449 in der gleichen Tonart erklingen vor allem spielfreudige Nummern bis hin zu der berühmten d-Moll-Toccata L 141, die durch ihre Repetitionsketten aufhorchen lässt.
Die Lebensdaten von Christoph Demantius (1567-1643) sind von den Jahreszahlen her identisch mit denen Claudio Monteverdis, des großen Heroen des Übergangs von der Musik der Spätrenaissance zu der des Frühbarocks. Demantius geriet nach seinem Tod schnell in Vergessenheit, und auch heute ist seine Vertretung im Tonträgerkatalog nur auf ganz wenige Einspielungen beschränkt. Unverständlich, wenn man bedenkt, dass er eine bedeutende Anzahl an Kompositionen hinterlassen hat, deren Qualität unter denen seiner Zeitgenossen herausragt und auch den Vergleich mit dem großen italienischen Komponisten der Epoche nicht scheuen muss.
Die vorliegende Neuerscheinung markiert den Beginn eines Projekts der Züricher Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten: auf sieben CDs sollen sämtliche Werke für Soloinstrumente und Orchester von Camille Saint-Saëns (1835–1921) eingespielt werden. Ein Fixpunkt wird dabei das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Howard Griffiths sein, der bis Ende 2023 als künstlerischer Leiter der Stiftung fungierte. Das vorliegende erste Album der Serie enthält die ersten beiden Violinkonzerte von Saint-Saëns, gekoppelt mit zweien seiner populärsten Einzelstücke für Violine und Orchester; Solistin ist die junge Violinistin Leia Zhu aus London, geboren 2006.
Passio secundum Johannem BWV 245 Version II (1725)
MDG 102 2351-6
2 CD/SACD stereo/surround • 1h 54min • 1999
18.04.2025 • 8 8 8
In der neuen Reihe „Preziosa“ präsentiert MDG eine Reihe älterer Aufnahmen, die teilweise in den Anfängen des Labels entstanden sind und die dessen Mitbegründer Werner Dabringhaus besonders wichtig sind. Der 300. Jahrestag der Uraufführung von Johann Sebastian Bachs Johannes Passion in ihrer zweiten Fassung war dabei ein zusätzlicher Anlass, eine Einspielung wieder zu veröffentlichen, die ihrerseits ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat. Sie wird bei dieser Gelegenheit erstmals im 3-D-Klang herausgebracht, was aus Kostengründen damals noch nicht möglich war.
Es ist vollbracht: Mit der dritten Doppel-CD liegt nun die letzte Folge der Gesamteinspielung aller Orgelwerke von Dietrich Buxtehude durch Friedhelm Flamme vor. Flamme ist so etwas wie ein unermüdlich Forschender der Orgelwelt. Er hat schon zahlreiche Einspielungen vorgelegt, die allesamt grundsolide und stilistisch weit gefächert sind. Das Spektrum reicht von der Renaissance wie Praetorius bis hin zu Raritäten wie Fauchard. Da darf Buxtehude als der Hauptvertreter der Norddeutschen Orgelschule natürlich nicht fehlen. Auch die finale Folge der Gesamteinspielung fügt sich ins Bild. Flamme zeigt sich einmal mehr als versierter Interpret, der ebenso lebendig wie sensibel ans Werk geht und mit dem norddeutschen Stil besonders vertraut ist.
Ein junges – bisher noch namenloses – Ad-hoc-Ensemble, hochkarätig mit diversen Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs besetzt, fand sich zusammen, um mit dem Septett Es-Dur op. 20 von Ludwig van Beethoven auf Tournee zu gehen. Um das Programm abendfüllend zu gestalten, nahm man das mit Klarinette, Horn, Fagott, Streichtrio und Kontrabass identisch besetzte melodienselige Septett op. 62 von Conradin Kreutzer hinzu. Hier wären alternativ auch die Septette von Franz Berwald (B-Dur) oder das Erzherzog Rudolf zugeschriebene Werk in e-Moll möglich gewesen.
Ob man hier von einer Pioniertat sprechen kann? Die komplette Einspielung von Bachs grundlegendem Zyklus Das Wohltemperierte Klavier durch den Akkordeonisten Andreas Nebl bringt auf jeden Fall eine frische Perspektive in dieses anerkannte Exempel musikalischer Grundlagenforschung. Zwei Sammlungen mit insgesamt 48 Werkpaaren durchkämmen mit akribischer Präzision sämtliche Dur- und Moll-Tonarten. Aber Bach wäre nicht Bach, wenn dies nicht auch in jedem Moment ergreifende Musik von spiritueller Dimension wäre – und natürlich wurden auch die harmonischen Grenzen seiner Zeit gesprengt und selbst heutigen Kompositionen kann Bachs weitgestecktes formales Koordinatensystem mühelos das Wasser reichen.
Claudio Monteverdis Sammlung mit Werken aus seiner Zeit als Kapellmeister an San Marco in Venedig, Selva morale e spirituale, von 1640/41 wurde bereits mehrfach mit den Feierlichkeiten zum Ende der Pest 1631 in Verbindung gebracht, bei der ein Drittel der Stadtbevölkerung umkam und die den Anlass zur Stiftung der Kirche Santa Maria della Salute gab. Da diese Sammlung ein virtuoses, konzertierendes Gloria sowie drei Fragmente eines Credos enthält, hat sich Roland Wilson entschlossen, anstatt die drei Fragmente – wie vom Komponisten oder Drucker vorgeschlagen – in die vierstimmige dort ebenfalls enthaltene Messe zu integrieren, die fehlenden Teile aus anderen Werken des Komponisten zu ergänzen.
Die italienische Pianistin Maria Pia Vetro hat in Köln studiert und lebt in Deutschland. Auf ihrer Debüt-CD gibt sie sich „Italienischen Reminiszenzen“ hin, spielt also Musik von italienischen Komponisten oder solchen, die von Italien inspiriert wurden. Dabei bewegt sie sich durchaus abseits ausgetretener Pfade: Muzio Clementi tauch immer noch selten in Konzertprogrammen auf, die Monferrinas op.49 gibt es bei jpc nur auf einer einzigen Aufnahme von Dominic Cheli; Ottorino Respighi hört man auch weniger in Klavier-Recitals, öfter dafür die Verdi-Konzert-Paraphrasen von Liszt.
In einer Zeit, wo sich künstlerische Pfade sich immer selbstverständlicher kreuzen, rücken der estnische Pianist und Komponist Kristjan Randalu zusammen mit dem Fagottisten Martin Kuuskmann einem schwergewichtigen Werk zu Leibe: Schuberts Winterreise wird zum Sujet eines einsamen, suchenden Brückenschlags zwischen klassischer Interpretation und der frostklaren Freiheit der Improvisation. Die bei Berlin Classics erschienene Album präsentiert 14 ausgewählte Lieder aus Schuberts 24-teiligem Winterreise-Zyklus (op. 89), ergänzt durch vier skizzenhafte Eigenkompositionen als freie Interludien mit den programmatischen Titeln Schreck, Vorschau, Winterschlaf und Nachtwind. Bemerkenswert ist, dass auf Die Wetterfahne und die letzten vier Lieder des Zyklus – darunter das ikonische Der Leiermann – verzichtet wurde, als hätte der Wanderer seinen Weg vorzeitig beendet.
Johannes Brahms Sonatas op. 120 • Robert Schumann Märchenbilder op. 113
Christian Euler, viola • Paul Rivinius, piano
MDG 903 2353-6
1 CD/SACD stereo/surround • 62min • 2024
11.04.2025 • 10 10 10
Das Duo Bratsche/Klavier mit Christian Euler/Paul Rivinius hat schon einige CDs in dieser Besetzung veröffentlich – sehr groß ist das diesbezügliche Repertoire ja nicht. Diesmal also Spätromantik mit Brahms und Schumann. Brahms hat seine Klarinetten-Sonaten – Frucht einer letzten Aufwallung von Komponierlust – auch für die Bratsche vorgesehen, mit vernehmlichem Brummeln zwar, aber dann doch. Zusammen mit den original für Bratsche geschriebenen Märchenbildern op. 113 von Robert Schumann ergibt sich eine stimmige Gesamtkonzeption, hat doch Schumann dieses Werk komponiert, nachdem er Brahms kennengelernt hat.
m edel wirkenden Digipack aus Pappe präsentiert sich dieses Album, drinnen nur ein dünnes Faltblatt – das richtige Booklet gibt’s über einen QR-Code – und natürlich die CD. Wer die dann in den Player einlegt, wird mit Blechbläsersound der Extraklasse verwöhnt – und mit einem außergewöhnlichen Repertoire. Tetra Brass Quatuor heißt das Ensemble, „Metall“ sinnigerweise das Album, denn hier erklingt schließlich jede Menge Blech. Genau genommen sind es Trompete, Flügelhorn, Kornett, Posaune und Bassposaune, die hier zu hören sind, gespielt von Luca Chiché, Aljoscha Zierow, Christian Traute und Jakob Grimm.
Winterreise Jakob Bloch Jespersen, Bass-Baritnoe • Sharon Prushansky, Fortepiano
OUR Recordings 8.226928
1 CD • 69min • 2023
09.04.2025 • 9 9 9
„Schon wieder eine Winterreise!“ war meine erste Reaktion, als ich diese neue Aufnahme in der Post fand. Aber da mir die beteiligten Künstler vorher nicht bekannt waren, habe ich die Scheibe aus Neugier doch sofort aufgelegt und geriet nach den ersten zwei bis drei Titeln ganz in den Sog des vertrauten Zyklus, der mir in der Interpretation des dänischen Bassbaritons Jakob Bloch Jespersen und der israelischen Pianistin Sharon Prushansky in vieler Hinsicht ganz neu klang.
Mit „Salon de Ravel“ feiert die ukrainische Pianistin Marina Baranova den 150. Geburtstag von Maurice Ravel. Das Album erschien genau am 7. März – an jenem Tag des Jahres 1875 wurde der Komponist im baskischen Fischerdorf Ciboure geboren. Das einfallsreich konzipierte Allbum vereint Ravels Musik mit Werken, die ihn inspirierten: von Borodin, Haydn, Chabrier, Fauré, Couperin und Grieg. Dazwischen steht eine Eigenkomposition der Pianistin. Marina Baranova kam zum Studieren nach Hannover, wo sie heute mit ihrer Familie lebt. In den letzten Jahren präsentierte sich die 43-Jährige als eigenwillige Grenzgängerin zwischen Klassik, Neoklassik und Weltmusik. Auf vorliegendem Album zäumt sie jedoch ihre Experimentierfreude und wendet sich an die „puristischen“ Klassikliebhaber.
Der Komponist Antonio Smareglia (1854-1929) stammte aus dem heute kroatischen Pula auf der Halbinsel Istrien, das durch die Venezianer italianisiert wurde, bis 1918 jedoch zu Österreich-Ungarn gehörte. Er wuchs dreisprachig auf, da seine Mutter Kroatin, der Vater Italiener und die Schulsprache in Wien und Graz, wo er das Polytechnikum besuchte, deutsch waren. Seine Nozze Istriane (Istrianische Hochzeit) spiegelt diese kulturelle Prägung wider. Das Melos ist durchaus italienisch, ergänzt mit Zitaten von kroatisch-dalmatinischer Folklore, die Orchesterbehandlung ist jedoch eher sinfonisch und klanglich von Wagner beeinflusst.
Der norwegische Cellist Theodor Lyngstad, Jahrgang 1993, ist seit 2019 Solocellist beim Philharmonischen Orchester Kopenhagen (bzw. in aktueller Eigenbezeichnung Copenhagen Phil – hele Sjællands symfoniorkester). Mit dem vorliegenden Album gibt er sein CD-Debüt, sekundiert von „seinem“ Orchester unter der Leitung der finnischen Dirigentin Eva Ollikainen (derzeit Chefdirigentin des Isländischen Sinfonieorchesters). Vergleichsweise ungewöhnlich ist dabei die Kombination von Kabalewskis Cellokonzert Nr. 2 und Schumanns Cellokonzert, wobei Lyngstad selbst allerdings durchaus berechtigt auf eine Reihe von Parallelen zwischen den beiden Werken hinweist, speziell atmosphärischer Natur.
Der junge Harfenist Maximilian Ehrhardt gehört zu einer neuen Generation, die das Spiel auf der historischen Harfe mit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Repertoire sowie seiner Erweiterung verbinden. Im Bereich der Alten Musik ist er unter anderem mit Concerto Copenhagen, L’Arpeggiata oder auch Dorothee Oberlingers Ensemble 1700 zu erleben und beschäftigt sich darüber hinaus mit seinem eigenen Ensemble oder auch solistisch mit eigenen Projekten. Auf seiner ersten Solo-CD, die ebenfalls beim Label Carpe Diem Records erschien, widmete er sich walisischer Harfenmusik des 17. Jahrhunderts, auf der aktuellen Aufnahme „Diminutions“ verbindet er Solowerke für sein Instrument, die italienische chromatische Harfe, aus dem 17. Jahrhundert mit neuen Werken des 21. Jahrhunderts.
Dvoŕák • Dorman Göttinger Symphonieorchester, Nicholas Milton
Prospero Classical PROSP0110
1 CD • 70min • 2020, 2021
04.04.2025 • 9 9 9
Hier geht’s zur Sache: mit dem Schlagzeugkonzert Frozen in Time von Avner Dorman und der Symphonie Aus der Neuen Welt von Antonin Dvořák geht das Göttinger Symphonieorchester unter der Leitung von Nicolas Milton mit zwei gewichtigen Werken auf eine spannende Entdeckungsreise durch musikalische Kulturen. Letzteres ist ein Dauerbrenner im Repertoire, Ersteres hat zweifelsohne das Zeug dazu. Dvořáks Symphonie ist die Essenz von dem, was der Komponist in seiner neuen Heimat Amerika vorfand, oder zumindest von dem, was er dafür hielt. Sie ist in jedem Fall ein Beispiel für eine Synergie der Kulturen, aber auch für die Rezeptionsgeschichte musikalischer Traditionen. Einige der Passagen aus diesem Werk haben nahezu ikonischen Charakter, das markante Hauptthema des ersten Satzes etwa oder die pastose Hornkadenz zu Beginn des Largos.
Die Gesamteinspielung der Streichquartette Joseph Haydns durch das Leipziger Streichquartett nähert sich mit Volume 19 der Vollendung. Diesmal geht es um das frühe Opus 2, Werke, die eigentlich noch der Gattung „Divertimento“ zugerechnet wurden und allesamt fünfsätzig sind. Sie entstanden wahrscheinlich gegen Ende der 1750er Jahre für Karl Joseph von Fürnberg auf Schloss Weinzierl in Niederösterreich. Nur vier der insgesamt sechs Kompositionen des Opus 2 sind originale Streichquartette, die übrigen sind echte Divertimenti, nämlich Sextette mit zwei Hörnern.
Das multinationale Pacific Quartet Vienna wurde 2015 durch den Sieg beim Haydn-Kammermusikwettbewerb in Wien bekannt. Die vier Musiker, die in Wien und Zürich leben, binden die Werke der Wiener Klassiker in kluge Programmkombinationen ein. Originell ist auch das Konzept ihrer vierten CD, deren Veröffentlichung bei dem Label Solo Musica mittels Crowdfunding finanziert wurde. Drei Komponisten sind hier zu hören, deren Opernschaffen sich auch in ihren Streichquartetten widerspiegelt. In Mozarts Dissonanzenquartett steckt das Theatralische ebenso wie in Donizettis Belcanto-beseeltem Quartett Nr. 17 sowie dem einzigen Quartett aus der Feder des Opernkomponisten Verdi.
Hat man sich in der Vergangenheit mit der Karriere des deutschen Pianisten Tim Allhoff beschäftigt, so bringt man ihn – bei aller Wertschätzung – eigentlich eher nicht mit einem reinen Bach-Album in Verbindung. Und doch hat er genau dieses bei Berlin Classics herausgebracht und überzeugt mit jeder einzelnen Note. Allhoff, Jahrgang 1980, ist vor allem bekannt dafür, pianistischer Grenzgänger zu sein, der sich dem verbreiteten Schubladendenken in der Klassikszene verweigert und sich in seiner Musik – als Interpret, aber auch Komponist und Arrangeur – gerne zwischen den Genres aufhält. Mit der CD „Bach“ bringt er nach mehreren preisgekrönten Aufnahmen unter eigenem Namen sowie mit hochkarätigen Namen wie Nils Wülker, Fatma Said, dem Leonkoro Streichquartett und sogar Robbie Williams nun seine erste rein klassische Aufnahme heraus.
Erstaunlich, wie viele Komponisten und Literaten des deutschen Barocks einen juristischen Hintergrund hatten. Hierzu gehören J.H. Schein, J. Kuhnau, der neben dem Thomaskantorat noch eine Kanzlei betrieb, Telemann, C. Graupner sowie die Bach-Söhne Friedemann und Carl Philipp Emanuel. Eine echte Doppelung legt die Capella Cathedralis Fulda begleitet von L’Arpa festante unter der Leitung von Franz-Peter Huber nun mit der Brockes-Passion des Hamburgischen Senatssyndicus Jacob Schuback (1726-1784) in Ersteinspielung vor. Hauptberuflich war Schuback Jurist und als Diplomat Hamburgs Vertreter beim „Immerwährenden Reichstag“ in Regensburg. Sein Vater amtierte von 1754 – dem Entstehungsjahr der Komposition – bis 1782 als Bürgermeister der Stadt. Da der Textdichter Barthold Heinrich Brockes – ebenfalls Jurist und Diplomat – und Vater Schuback seit 1737 Senatorenkollegen waren, dürften Librettist und Komponist sich näher gekannt haben.
Das Duo Praxedis heißt so, weil beide Solistinnen den Vornamen Praxedis haben: Praxedis Hug-Rütti spielt Harfe, ihre Tochter Praxedis Geneviève Hug spielt Klavier. Beide sind seit 2010 unermüdlich dabei, die Literatur für diese Besetzung zu durchforsten, die im 19. Jahrhundert sehr beliebt war. Allein Carl Czerny hat rund 400 Werke für diese Besetzung geschrieben, teilt das (dreisprachige) Booklet mit. Diese üppige Doppel-CD mit 151 Minuten Spielzeit, bereits die zehnte des Duos, hat sich dem Wiener Walzer verschrieben und ist deshalb launig „Baba Bussi“ betitelt – mit dem Akzent bei Babá auf der letzten Silbe: eine wienerische Abschiedsformel, die dort aber meist in umgekehrter Form verwendet wird: Bussi Baba. Die CD 1 umfasst Tänze der Familie Strauß, aber auch die zwanzig Ländler von Franz Schubert. Die CD 2 befasst sich mit Reminiszenzen an den Wiener Walzer, von Fritz Kreisler, dem hier ausgiebig gehuldigt wird, bis zu Richard Strauss und Sergej Prokofieff. Alle Arrangements stammen vom Duo Praxedis selbst.