High Hopes
Hikaru Kanki piano • Arvid Fagerfjäll baritone
Ars Produktion ARS 38 685
1 CD • 69min • 2024
06.07.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Seit ein paar Jahren sind die japanische Pianistin Hikaru Kanki und der schwedische Bariton Arvid Fagerfjäll neben ihrer solistischen Tätigkeit auch als Lied-Duo unterwegs und haben bei Wettbewerben gemeinsam schon Preise eingefahren. Lange haben sie über den Titel ihres hier vorliegenden Debütalbums nachgedacht, dabei Vorschläge wie „Therapie“ oder „Kampf“ wieder verworfen. Wie wird man mit den Fährnissen seines Lebens fertig? – das ist der Grundtenor der ausgewählten, scheinbar bunt gemischten Lieder aus zwei Jahrhunderten. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie „musst du selbst finden“ – wie es in Toru Takemitsus das Album abschließenden Lied Yesterday’s Spot heißt.
Wechselbäder
Die Message erinnert an Franz von Schobers und Franz Schuberts Du holde Kunst. Sie wird in einem originellen und abwechslungsreichen Programm von verschiedenen Seiten beleuchtet und setzt den Hörer nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch ständigen Wechselbädern aus. Die klassisch-romantischen Liedgrößen Schubert, Schumann und Wolf haben einen festen Platz, werden hier aber nicht mit den bekannten Titeln präsentiert, sieht man von Der Doppelgänger einmal ab. Ethel Smyth (1858-1944) stand noch in dieser deutschen Tradition, als sie in jungen Jahren Eichendorffs Es wandelt, was wir schauen vertonte.
Entdeckungen im 20. Jahrhundert und in der Moderne
Überraschungen gibt es, sobald die Erkundungsreise ins 20. Jahrhundert führt. André Caplet (1878-1925), Schüler und Mitarbeiter von Claude Debussy, der sich später vom Impressionismus abwandte und der musikalischen Avantgarde der Zeit annäherte, gibt in zwei der Trois Fables de Jean de la Fontaine Beispiele grotesker musikalischer Komik. Benjamin Britten schlägt in drei Ausschnitten aus der Sammlung Songs and proverbs of William Blake (1965 in Aldeburgh mit Dietrich Fischer-Dieskau uraufgeführt) auch düstere Töne an. Bei William Bolcom (Jg. 1938) und Kurt Weill befinden wir uns im Grenzbereich zum Cabaret.
Ins unmittelbare Heute versetzen uns zwei Titel aus dem vor zwei Jahren veröffentlichten Zyklus Sieben Unsympathen von Dorian Steinhoff (Jg. 1983, Text) und Benjamin Scheuer (Jg. 1987, Musik), der in sarkastischer Weise Zeitkritik übt. Der Makler ist ein skrupelloser, selbstverliebter Widerling, in Fußballfans im Zug wandeln sich deutsche Spießbürger zu einer grölenden Horde.
Der erste Eindruck täuscht
Das gewollt irritierende Coverfoto führt uns auf eine falsche Spur. Hänsel und Gretel im Wald – sie in Hosen, er im Röckchen. Darüber in sich auflösenden Großbuchstaben der Albumtitel. Das ist wohl als ein Hinweis gedacht auf die non-binäre Identität des Sängers. Der akustische Eindruck ist zum Glück gegenteilig. Wir hören eine männlich-kernige Baritonstimme und einen Interpreten mit starkem vokalem und sprachlichem Zugriff. Könnte man sich bei den romantischen Liedern noch mehr Subtilität der Gestaltung wünschen, auch vonseiten der Pianistin, so sind Arvid Fagerfjäll und Hikaru Kanki ganz in ihrem Element, wo Expressivität gefragt ist, und wo sie auch grellen Ausdruck nicht scheuen. Etwa in Caplets Le loup et l’agneau oder in Wolfgang Rihms Ich mag euch alle nicht. Nannas Lied, Kurt Weills und Bertolt Brechts viel gespielter Song einer Sexarbeiterin, funktioniert auch im Vortrag dieses Baritons.
Ekkehard Pluta [06.07.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hugo Wolf | ||
1 | Auf einer Wanderung | 00:03:33 |
2 | Im Frühling | 00:04:28 |
Franz Schubert | ||
3 | Memnon op. 6 Nr. 1 D 541 | 00:03:45 |
André Caplet | ||
4 | La cigale et la fourmi (aus: Trois Fables de la Fontaine) | 00:03:58 |
5 | Le loup et l'agneau (aus: Trois Fables de la Fontaine) | 00:04:13 |
William Bolcom | ||
6 | Poet Pal of Mine (aus: Cabaret Songs Vol. 4) | 00:02:12 |
Franz Schubert | ||
7 | Am Fenster op. 105 Nr. 3 D 878 | 00:03:58 |
Robert Schumann | ||
8 | Mein Wagen rollet langsam op. 142 Nr. 4 | 00:03:32 |
9 | Schöne Wiege meiner Leiden op. 24 Nr. 5 | 00:03:39 |
Wolfgang Rihm | ||
10 | Ich mag euch alle nicht | 00:01:09 |
Franz Schubert | ||
11 | Auflösung D 807 | 00:02:20 |
Benjamin Britten | ||
12 | A Poison Tree | 00:04:53 |
Benjamin Scheuer | ||
13 | Der Makler (aus: Sieben Unsympathen) | 00:03:57 |
14 | Fussballfans im Zug (aus: Sieben Unsympathen) | 00:04:43 |
Benjamin Britten | ||
15 | The Tyger (aus: Songs and Proverbs of William Blake op. 74) | 00:01:57 |
16 | The Fly (aus: Songs and Proverbs of William Blake op. 74) | 00:01:47 |
Ethel Smyth | ||
17 | Es wandelt, was wir schauen op. 3 Nr. 4 | 00:02:03 |
Franz Schubert | ||
18 | Der Doppelgänger D 957 Nr. 13 (aus: Schwanengesang D 957) | 00:03:59 |
Kurt Weill | ||
19 | Prolog: Nannas Lied | 00:03:59 |
20 | Buddy on the Nightshift | 00:02:21 |
Toru Takemitsu | ||
21 | Sakujitsu no shimi (Yesterday's Spot) | 00:02:52 |
Interpreten der Einspielung
- Hikaru Kanki (Klavier)
- Arvid Fagerfjäll (Bariton)